GUILLOTINE

 

Diesmal haben wir - völlig unabhängig voneinander - gleichzeitig zwei Besprechungen eines im Handel nicht mehr erhältlichen Spiels bekommen. Da das Spiel gut, im Bedarfsfall selbst nachzumachen und im Spielekreis zum Insider-Tip geworden ist, bringen wir beide Besprechungen mit herzlichem Dank an Christoph Proksch und Manfred Schreiber. Und vielleicht legt ein ambitionierter deutscher oder österreichischer Verlag das Spiel wieder auf? Fühlt sich jemand angesprochen? Es wäre zu wünschen.

 

GUILLOTINE

Verlag: Avril et Floreal

Autor: Philippe Hernandez

Anzahl der SpielerInnen: 2 - 4 (4)

Alter: nicht unter 16 Jahren

Spieldauer: 60 - 120 min

 

GUILLOTINE

 

Schon lange keinen Drachen mehr besiegt, kein feindliches Schiff versenkt, keine Armee mehr ausradiert? Wer wird denn so aggressiv sein, es gibt doch viel elegantere Unterhaltungen:

 

Denunziere einen Abgeordneten! - Natürlich von einer gegnerischen Partei. Seine Schuld, wenn sich der Vorwurf als richtig erweist, so muß er halt vor's Revolutionstribunal.

Dort findet er sicher Gerechtigkeit - nach dem Motto: Vor der Guillotine sind alle gleich.

 

Wir befinden uns im Zeitalter der Französischen Revolution und führen eine politische Partei, deren Abgeordnete mit allen Mitteln um Popularität (wie heute), um Freiheit-Gleichheit-Brüderlichkeit (vollmundig waren Politiker schon damals) und vor allem um's Überleben kämpfen (heute weniger grausam, schlimmstenfalls verschwinden Politiker in der Versenkung - mit fetten Pensionen und Abfertigungen, damals hieß es "Kopf ab" unter lebhafter Publikumsanteilnahme).

 

Erfolgreiche Abgeordnete werden wiedergewählt (müssen aber mindestens so populär wie zu Beginn sein), derjenige, dessen PArtei die meisten wiedergewählten Mitglieder am Spielende aufweist, hat gewonnen. Bei Gleichstand zählt die höhere Anzahl der Popularitätspunkten = PP.

 

Das vorliegende Spiel heißt "Guillotine", erschien in Frankreich (na na!) bei Avril & FLoreal, bereits 1988.

Das Spielmaterial ist hübsch, die Abgeordneten werden durch Plastikmännchen mit authentischen Namen dargestellt, der Spielplan aus Karton ist solide und übersichtlich, es liegen ferner 1 Würfel, diverse Karten und Notizblöcke zur Dokumentation der PP bei, und schließlich ein Fragenheftchen zum Thema. Im Originalspiel ersetzen Fragen den Würfel - die für Nichtfranzosen kaum beantwortbar erscheinen (sind Sie Historiker?)

 

Es handelt sich um ein Verhandlungsspiel mit einer ausreichenden Prise (Würfel-)Glück, meist geht irgendwann in der Hitze der Intrigen die zurechtgelegte Taktik über Bord. Höhepunkte sind meist die zahlreichen Abstimmungen - jeder Spieler verfügt über eine "Ja/Nein"-Stimmkarte.

Jeder der bis zu 4 Spieler stellt eine politische Partei mit 6 Abgeordneten dar, die an 8 Orten aufgestellt werden können (3 davon unfreiwillig).

 

Das Spiel läuft in Runden ab - maximal 10 -, jede ist in 7 Phasen gegliedert, nach jeder Runde wechselt die Spielerreihenfolge.

 

In der ersten Phase werden die Abgeordneten für die Dauer dieser Runde plaziert., Hier beginnt die Tüftelei, jeder Ort hat Vor- und Nachteile, aber - ein Tip - den ersten Abgeordneten sollte man unbedingt ins Revolutionstribunal stellen, die Plätze dort sind limitiert und bereut es bitter, dort nicht mitstimmen zu können.

Die weiteren Orte sind der Konvent - dort entscheidet die Stimmenmehrheit (unbegrenzte Anzahl Plätze) - und es bedarf genug eigener Abgeordneter zum Gesinnungsgenossen im Gefängnis oder auf der Flucht zu retten.

Der Wohlfahrtsausschuß - limitierte Platzanzahl - bringt Popularität, ebenso das "Reise"-Feld, im Jakobinerclub gibt es "Denunziationskarten" (= Angriff oder Druckmittel gegen Mitspieler).

 

Die weiteren - ungemütlichen - Orte sind das Gefängnis, die "Flucht" und zu guter Letzt die Guillotine. Haben alle Abgeordneten ihren Platz, folgt die zweite, die Konventsphase: In dieser erfolgen zunächst Berichte an den Konvent, dann kommt die Tagesordnung und schließlich kann - ab der 4. Runde - die Auflösung dieser Versammlung mit Stimmenmehrheit beschlossen werden - damit endet das Spiel nach Ablauf dieser Runde.

 

Jeder Spieler darf einen Abgeordneten berichten lassen, wird der Bericht durch Abstimmung angenommen, gibt es 2 PP und dieser Abgeordnete ist für den Rest dieser Runde vor Angriffen sicher. Bei Ablehnung des Berichts verliert der Berichtende 2 PP. Die Berichte sind eine der wenigen Gelegenheiten in diesem Spiel, sich bei Mitspielern beliebt zu machen, man sollte sie nützen, denn in der folgenden Tagesordnung geht es härter zu.

 

Reihum darf jeder einen Abgeordneten denunzieren - vorausgesetzt, er hat am gleichen Ort einen eigenen Abgeordneten. Beliebtestes Ziel sind logischerweise Richter des Revolutionstribunals, deshalb ist es gut dort anwesend zu sein um anschwärzen zu können ...

Man kann aber auch auf Denunziation verzichten (man paßt) oder die Denunziation eines anderen unterstützen.

Für die Denunzierten wird gewürfelt, bei 3-6 sind die Vorwürfe haltlos, bei "unterstützter Denunziation" hilft allerdings nur ein Sechser.

 

Es gibt im Verlauf dieses Spieles später noch 2 Möglichkeiten, jemanden zu denunzieren, aber so leicht wie im Konvent geht's nimmer.

Bestätigen sich die Anschuldigungen, treten folgende Wirkungen ein: Beschuldigte auf Reisen oder im Jakobinercluben verlieren 3 PP und kehren in den Konvent zurück, an allen anderen Orten landet man vor dem Revolutionstribunal. Es wird sofort verhandelt - sollte man in die "Objektivität" kein Vertrauen setzen, kann man sich durch "Flucht" dem Gericht entziehen. Eine weitere Möglichkeit wäre, die Hilfe eines Gesinnungsgenossen in Anspruch zu nehmen. Dieser muß im Tribunal seitzen, verliert dabei - 2 PP und man landet im Gefängnis statt vor dem Richter - die feixenden Gesichter der Mitspieler lassen oft an der Gerechtigkeit Zweifel aufkommen.

Über Schuld oder Unschuld entscheidet die Stimmenmehrheit der Richter - bei Gleichheit droht wieder Gefängnis. Schuld heißt Guillotine und bei minus 1 Kopf kann der arme Abgeordnete schlecht weiterspielen.

 

Hat der Konvent seine Tätigkeit beendet, folgt die Phase des Wohlfahrtsausschusses. Jeder Teilnehmer erhält +1 PP, der Ausschuß kann über Vorschlag EINE Denunziation aussprechen (Stimmenmehrheit nötig, Entkräftigung benötigt Würfelzahl 6).

 

Die 4. Phase ist den Reisenden im Auftrag des Konvents gewidmet, diese mehren ihre Popularität um 1 PP und ziehen Missionskarten (positive und negative Auswirkungen möglich, meist mit dem Würfel zu entscheiden).

 

Es folgt die Phase des Jakobinerclubs, die Popularität bleibt unverändert, mittels spezieller Karten bietet sich jetzt die letzte Möglichkeit dieser RUnde zur Denunziation.

 

Danach werden die Fälle im Gefängnis (= 6. Phase) behandelt, mittels Würfel versucht jeder sich zu rehabilitieren. Mindestzahl 7 ist nötig, zusammengesetzt aus Würfelaugen plus Zahl der eigenen Abgeordneten im Konvent. Der rehabilitierte Häfenbruder kehrt in den Konvent als Abgeordneter zurück, mißlingt der Wurf, heißt es weiter im Gefängnis darben.

 

Zuletzt kommen die Flüchtigen 'dran; sie verlieren am Anfang ihrer Phase (übrigens ebenso wie die Gefängnisinsassen) 1 PP, dann würfeln sie, ob die Flucht gelingt. Bei 1 werden sie gefaßt und hingerichet, bei 2 Wurfwiederholung, bei 3-6 gelingt die FLucht. Jetzt können sie versuchen, sich zu rehabilitieren, wie im Gefängnis, nur ist eine Punktezahl von 8 notwendig.

Schlägt dieser Versuch fehl, hat der Flüchtige noch die Möglichkeit, sich freiwillig dem Gericht zu stellen, welches sofort entscheidet.

 

Damit ist eine Runde beendet, die nächste beginnt mit Bewegung der Abgeordneten.

 

Ach ja, wer die Popularität "0" erreicht hat, landet automatisch auf der Guillotine, man kann also nicht ewig auf der Flucht oder im Gefängnis sein, außerdem ist man dort nicht wiederwählbar.

 

Die Spielbarkeit und Interaktion dieses Spieles ist gut und sehr lebhaft, die Spieldauer variiert stark (1.5 bis 4 Stunden, vor allem, wenn man keinem wehtun will). Meine Erfahrung aus 5 Partien zeigt, daß zunächst "Vorsicht" regiert, dadurch ist der Spielverlauf etwas gebremst, es kann dauern, bis etwas passiert, jeder sucht Allianzen.

Das Spiel kann dann plötzlich kippen, wenn auf Aggressivität geschaltet wird - früher oder später unvermeidlich - aber schließlich nehmen wir an einer Revolution teil und nicht an einem Sit-In der Friedensbewegung.

Der Glücksfaktor ist nicht spielentscheidend, Taktik wird nicht selten aus Rachemotiven über Bord geworfen, es ist ein boshaftes Spiel.

Fad wird keinem, man handelt ständig und es gelingt kaum "cool" zu bleiben, das Emotionelle kommt sehr zum tragen.

 

Ein schönes Spiel, leider - Wermutstropfen - ist es längst vergriffen. Vielleicht findet sich doch noch mal wer, der diese Spielperle wieder auflegt.

 

PS. Mit etwas Geschick kann man sich dieses Spiel relativ leicht nachmachen.

 

WIN-Wertung:

*** Guillotine W SS PP III UUU AA; 4 (2-4), h

 

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GUILLOTINE

 

Wenn man den Namen dieser Firma nicht gleich zuordnen kann, so ist das durchaus verständlich. Es ist eine weitere Firma, nach Ludodélire, die aus Frankreich kommt, und zeugt von einer sehr regen Spielkultur in rätoromanischen Landen.

 

Der Wermutstropfen bei diesem Spiel ist, daß es nicht mehr erhältlich ist. Sei es wegen der kleinen Auflage, oder der Güte des Spieles, daß es so bald vergriffen war. Trotzdem es nicht mehr erhältlich ist, möchte ich es euch nicht vorenthalten.

 

Es ist ein Interaktionsspiel mit etwas Glück, in etwa auf der Stufe von Illuminati. Ein Spiel für "gute" Freunde also. Ein flottes Spiel, das sehr hinterhältig und scharf werden kann, wie besagtes Gerät, nach dem es seinen Namen hat. An dem Spiel können 2 - 4 Spieler teilnehmen, den größten Spielspaß hat man aber zu viert.

 

Bevor ich nun zur Spielebesprechung komme möchte ich euch die deutsche Einleitung der Spielregel nicht vorenthalten. Sie beschreibt das Spiel treffender als alles andere.

 

"Zwar hat der Konvent die Menschheit in der Geschichte um Riesenschritte vorangebracht. Er vollbrachte seine Arbeit aber in einem Klima andauernder Denunzinationen. Unter fast tragisch zu nennenden Umständen hat eine politische Richtung nach der anderen die Versammlung beherscht und ihre Gegner angeklagt. Viel Zeit und Energie der Abgeordneten wurden darauf verwendet, sich gegenseitig zu denunzieren.

 

GUILLOTINE ist der Kampf um die Macht während der Französischen Revolution. Sie sind der Chef einer der vier Parteien im Konvent, der Montagnards, Crapauds, Royalisten oder Girondisten.

Führen Sie Ihre Abgeordneten mit List durch das Geflecht der Intrigen, um ihnen die Wiederwahl zu ermöglichen. Vermeiden Sie es, jemanden anzuklagen , sondern denunuzieren sie die Verräter. Und - schaffen Sie sich Verbündete. Sie wurden verraten? Verlieren Sie jetzt nur nicht den Kopf! Können Sie trotz allem mit friedlichen MIhre Abgeordneten zur Wiederwahl führen? Wir wären überrascht davon. Es ist eine so bewegte Zeit... !"

 

Das Spiel selbst dauert max. 10 Runden, kann aber bereits ab der 4 Runde mit Mehrheitsbeschluß im Konvent abgebrochen werden. Die begonnene Runde wird noch fertiggespielt.

 

Jeder Spieler ist, wie Anfangs erwähnt, der Chef einer der vier Parteien, mit je sechs Abgeordneten. Sein Ziel ist es am Spielende die meisten wiedergewählten Abgeordneten zu besitzen. Das ist gar nicht so einfach, denn um wiedergewählt zu werden muß ein Abgeordneter nämlich

a: überleben,

b: In Freiheit sein, und zu guter letzt noch

c: Mindestens seine Popularität vom Anfang aufweisen (5PP).

Diese Popularität wird für jeden Abgeordneten gesondert auf einen Notizblatt auf den aktuellen Stand gehalten. Im Spielverlauf ändert sich die Popularität eines Abgeordneten durch Ereignisse oder den Posten den der Abgeordnete innehat. Sollte ein Abgeordneter unter 0 Poularität fallen so scheidet er aus dem Spiel aus. Laut Regel begeht er Selbstmord. Man darf jederzeit den aktuellen Stand der Abgeordneten des Gegners erfragen.

 

Die Spielrunde gliedert sich in 7 Phasen:

 

Phase 1 - Bewegung

Eine der wichtigsten Phasen überhaupt. Man muß sich entscheiden, Revolutionstribunal oder Wohlfahrtsausschuß, dort ist man sehr mächtig, auf Reisen zu gehen oder doch lieber in den Jacobinerclub, um Popularitätspunkte und/oder Ereigniskarten zu bekommen, oder aber gar im Konvent zu bleiben Um zu denunzieren oder Abgeordnete zu rehabilitieren. Wie dem auch sei man hat auf jeden Fall zu wenige Abgeordnete.

 

Phase 2 - Konvent

Dort kann man Berichte abfassen, die Popularitätspunkte bringen oder kosten. Sodann geht man zur Tagesordnung über - und die heißt? - Denunziation. Richtig geraten. Jeder Denunzierte wird sofort vor das Revolutionstribunal geladen. Das heißt sofern sie sich bestätigt. Je schwerer die Denunzination desto höher der Entkräftigunswurf. Sollte man es nicht schaffen die Denunziation zu entkräften so hat man drei Möglichkeiten.

a: die sofortige Flucht

b: die Hilfe eines Gesinnungsgenossen

c: oder die Hoffnung auf einen "fairen" Prozess.

Der Prozess wird demokratisch durch das Revolutionstribunal abgehandelt. Bei Mehrheitsbeschluß, Kopf ab, bei Gleichstand der Stimmen kommt man ins Gefängnis.

 

Phase 3 - Wohlfahrtsausschuß

Jeder Abgeordnete erhält einen Popularitätspunkt. Zusätzlich darf vom Wohlfahrtsausschuß eine schwere Denunziation pro Runde gemacht werden.

 

Phase 4 - Reisen im Auftrag des Konventes

Jeder Abgeordnete bekommt einen Popularitätspunkt und darf eine Karte ziehen. Diese bringen oder kosten Popularität.

 

Phase 5 - Jacobinerclub

Jeder Abgeordnete darf eine Karte ziehen. Diese sind entweder Denunziationskarten oder Karten um einen Gegner zu töten. Man kann diese Karten auch zurückhalten um ein Druckmittel in der Hand zu haben.

 

Phase 6 - Gefängnis

Jeder Abgeordnete verliert einen Punkt pro Runde. Man kann versuchen Gefangene durch Würfelwurf zu rehabilitieren. Dazu muß man mit einem Würfel 7 Augen zu würfeln, allerdings zählt jeder Abgeordnete der eigenen Partei im Konvent einen Punkt dazu.

 

Phase 7 - Flucht

Jede Figur macht einen Überlebenswurf und darf bei 8 oder mehr wie in Phase 7 rehabilitiert werden.

 

Die Runden gehen sehr schnell (ca 10 min) und die Debatten werden bei fortschreitenden Spiel heftiger. In manchen Runden kommt es darauf an wer Startspieler ist, und ein bißchen Würfelglück gehört dazu. Selbst wenn man für solche Spiele nicht ist, man sollte es sich einmal anschauen.

 

WIN Wertung :

** GUILLOTINE AAUUWSSPIII