UNSERE REZENSION

 

Eine Reise Durch China

 

YUNNAN

 

Strasse der Teehäuser

 

Das Spiel führt uns auf der „ Ancient Tea-House Road“ durch Yunnan, die achtgrößte Provinz Chinas, flächenmäßig größer als Deutschland. Der Name bedeutet „Südlich der Wolken“ und bezieht sich augenscheinlich auf die Nachbarprovinz Tibet. Die anderen Nachbarn sind Vietnam, Laos und Myanmar, das ehemalige Birma. Vier große Flüsse durchziehen das Land, darunter die bekannten Mekong und Jangtsekiang. Auch findet man hier die letzten 250 freilebenden Elefanten Chinas. Von der Stadt Pu-er führt seit 1700 Jahren ein Transportweg über Sichuan, die fünftgrößte Provinz Chinas, und Tibet nach Qinghai. Dorthin brachte man die berühmte Sorte Tee, den Pu-er Tee, einen Grüntee, auch Ziegeltee genannt, nach seiner Art der Verpackung. Seinerzeit bedurfte es einer Lagerung von 5 Jahren, bevor er sich auf die Reise machte. Seit 1970 gibt es allerdings ein neuartiges Verfahren, dass die Lagerzeit auf nur mehr mehrere Monate beschränkt. Soweit zum Hintergrund.

 

Ich muss gestehen, ich fühle mich mehr der Kaffee-Fraktion zugehörig. Meine Erfahrung mit Tee beschränkt sich lediglich auf Jaga-Tee und auf die zur Weihnachtszeit seltsamen Mischungen, die unter dem Mäntelchen der Wohltätigkeit in Hütten unter freiem Himmel angeboten werden. Nichts destotrotz habe ich mich auf die Spuren der Teeverkäufer aufgemacht. Wie sich herausstellte ein durchaus lohnendes Unterfangen.

Schon das Cover der Box weist daraufhin, was einen im Spiel erwartet. Nämlich Pferde die für den Transport unerlässlich sind, Brücken über unwegsame Pässe bis zu Teehäusern und Handelsposten, die im Spiel Vorteile bieten.

Der Spielplan ist perspektivisch gezeichnet und hier muss ich Dennis Lohausen ein großes Lob aussprechen. Er ist kein Unbekannter, schließlich ist er unter anderen auch für Terra Mystica, Carcassonne in der Südsee, Village und Glück auf! als Designer verantwortlich. Alle Aktionsmöglichkeiten sind übersichtlich und selbsterklärend am Spielplan ersichtlich. Aber vorerst zum reichlichen Inhalt.

Jeder der 5 Spieler hat 7 Händler zur Verfügung, von denen er zu Beginn allerdings nur 3 einsetzen darf. Dazu kommen 5 Pferde, eines pro Farbe, die für die Reichweite verantwortlich zeichnen. Jeweils einen Siegpunktmarker gibt es für die „Kramerleiste“, einen Erlösmarker, auf dessen Funktion ich noch später zurückkomme, einen Reihenfolgemarker und je 2 Fortschrittmarker für die 2 Skalen am Spielplan. Alle unverwechselbar in Bezug auf ihre Form. Dazu je 2 Brücken, Teehäuser und Handelsposten pro Spieler. Weiters finden sich ein Provinzkommissar, dessen graue Farbe bereits nichts Gutes vermuten lässt, 14 Gastgeschenkekärtchen und ein Satz von 53 Münzen. In der Profiversion benötigt man noch Marker mit „-100“ und einen Rundenmarker. In Essen gab es außerdem einen Extraschrein der manche Möglichkeiten verdoppelt wenn man ihn aktiviert.

Jetzt zum Ablauf. Der Autor Aaron Haag hat in seinem Erstlingswerk gleich eine Menge an Innovation eingebaut. Das beginnt bereits bei der Feststellung der Startreihenfolge. Ein Mitspieler nimmt jeweils eine Figur der Spieler in die Faust und lässt sie über der Reihenfolgeskala fallen. Der kürzeste Abstand zum Startfeld kennzeichnet den Startspieler. Die restlichen Plätze folgen ebenfalls nach dem Abstandsprinzip. Nun erhalten die ersten beiden 9 Yuan Startgeld, die folgenden 12 und der letzte 15 Yuan.

Zu Beginn hat man für seine 3 Figuren, sprich Händler nicht weniger als 7 Einsatzmöglichkeiten, entweder in den nachfolgend erläuterten Häusern oder in der Bank bzw. am Markt von Pu-er.

5 Häuser haben je 5 Einsatzmöglichkeiten zum Preis von 5 bis 15 Yuan. Auch hier gibt es eine Neuheit. Von den ersten beiden Positionen zu 5 oder 7 Yuan kann man vertrieben werden, während man auf den teuren Plätzen zu 9, 12 oder 15 Yuan vor Verdrängung sicher ist. Pro Haus darf nur eine Farbe vertreten sein. Was kann man also erwerben? Einfach alles was man dringend braucht und gerne hätte.

Im Handelshaus kann man seine Anzahl von Händlern aufstocken. Von denen kann man nie genug haben.

Im Zollamt gibt es zusätzliche Passierscheine mit denen man die Provinzgrenzen überschreiten darf. Man startet mit 2 Stück und kann auf einer Skala bis zu 6 vorrücken.

Beim Pferdehändler darf man sein Pferd um eine Provinz weiter vorrücken lassen und erweitert damit die Reichweite seiner Händler. Ein wesentlicher Punkt, da entferntere Provinzen mehr Tee-Ertrag abwerfen.

Wählt man das Drachenhaus kann man sein Einfluss auf einer weiteren Skala bis zum Vierfachen steigern. Damit kann man einen Verdrängungsmodus gegenüber den Mitspielern einsetzen.

Im Bauhaus gibt es die Möglichkeit, ein Teehaus, einen Handelsposten oder eine Brücke zu erstehen. Um letztere einsetzen zu können, muss das eigene Pferd bereits in beide Provinzen vorgerückt sein. Auch für das Bauen der erstgenannten Projekte ist Position des eigenen Pferdes maßgeblich.

Verzichtet man auf das Bieten in den Häusern, geht man in die Bank. Hier kann man wie vorhersehbar seinen Geldvorrat ergänzen bzw. erweitern. Der Auszahlbetrag variiert und ist abhängig von der Summe der in den Häusern eingesetzten Beträge der Mitspieler. Der erste, der diese Position wählt, erhält eine um etwa ein Drittel höhere Summe als der zweite. Allerdings bedingt es für beide den Rückzug aus den Bietmöglichkeiten der Häuser. Die zurückgenommenen Händler gehen in den Markt von Pu-er, dem Ausgangspunkt für die Reisephase. Hier können auch mehrere Händler vertreten sein und man kann diese Wahl auch von Haus aus treffen. An der Kramerleiste gibt es im Abstand von 5 Feldern Angaben, wieviel die Bank an den Ersten bzw. Zweiten auszahlt. Dies ist eine interessante Art der Vergabe.

Nach Ablauf der Bietphase beginnt nun die Reisetätigkeit jener Händler, die sich im Markt von Pu-er oder schon weiter in den Provinzen befinden. Je weiter weg desto höher der zu erwartende Erlös. Außerdem wird nun die Startreihenfolge umgekehrt.

Zwei Möglichkeiten verstärken nun die Interaktion. Hat mein Händler einen größeren Einfluss als der des Mitspielers (erworben im Drachenhaus) so verdrängt er diesen in die nächst niedrigere Provinz, was natürlich Einnahmeverlust bedeutet. Dieser Vorteil ist allerdings ein zweischneidiges Schwert, weil nun der der Provinzkommissar auftaucht. Dieser geht in die Provinz mit dem insgesamt höchsten Ertrag und hat es hier auf den Händler mit dem größten Einfluss abgesehen und versetzt diesen zurück nach Pu-er. Davor kann man sich wiederum entweder mit einem eigenem Teehaus schützen oder indem man bereits den maximalen Einfluss erworben hat. Gleichstand wird dahingehend aufgelöst, dass es den Händler erwischt, der auf der Reiseleiste vorne steht oder die weiter entfernte Provinz betroffen ist. Mit Ausnahme der ersten Provinz finden sich auch nach jeder Grenzüberschreitung Gastgeschenke für die Händler in Form von Dreierplättchen, die am Ende in Siegpunkte umgewandelt werden.

Nun erfolgt der letzte Abschnitt, die Ermittlung der Siegpunkte und die neue Startreihenfolge. Hier hat sich der Autor auch einiges einfallen lassen. Man benötigt eine durchgehende Linie von Händlern bzw. Handelsposten. Nach Reisetätigkeit isolierte Händler werden nach Pu-er zurückversetzt. Isolierte Handelsposten bringen keinen Ertrag. Der Erlös der einzelnen Spieler wird an der Siegpunktleiste angezeigt und bestimmt die neue Startreihenfolge. Jetzt kann man zusätzlich seine Erlöserträge nach Belieben in Siegpunkte oder Geld (Yuan) aufteilen. Hier setzt Kritik ein, da dadurch oft ein sehr abruptes Ende herbeigeführt werden kann.

Das Spielende wird erreicht wenn alle Gastgeschenke verteilt wurden oder ein Spieler die 80 Siegpunktemarke erreicht. Bei der Schlussabrechnung zählen die eigenen Teehäuser je 12 Punkte und die Platzierung in den Skalen des Zoll- und Drachenhauses von 1-16 Punkte. Auch hier halte ich die Größenordnung für zu hoch. Geld wird im Verhältnis von 1:3 in Siegpunkte umgewandelt.

 

Die Regel ist schön strukturiert und mit Beispielen versehen und hat für Neueinsteiger noch Tipps vorgesehen. Das Material in bester Qualität, sogar mit kleinen Pferdchen versehen lässt keine Wünsche offen.

Ich kann nur empfehlen „Yunnan“ einmal auszuprobieren. Vielleicht doch zur Einstimmung mit einer Tasse Tee. Es kann ja auch ein Früchtetee oder ein Earl Grey sein. Ich habe mir allerdings doch einen Pu-er geleistet.

Der „silberne“ Argentum-Verlag“ hat mit “Yunnan“ ein Spiel herausgebracht das golden glänzt und für mich zu den Highlights von Essen 2013 zählt. Der noch relativ junge Verlag von Roman Mathar hat schon einige bekannte Spiele auf den Markt gebracht, so unter anderen „Wind River“, „1001 Karawane“, “Jagd nach dem Gral“ und „Hansa Teutonica“. „Yunnan“ nimmt meiner Meinung nach eine Spitzenposition ein. Heuer feiert der Verlag sein 10jähriges Jubiläum zu dem ich ihm sehr herzlich gratulieren möchte. Ich bin schon gespannt mit welchem Juwel er heuer in Essen auftreten wird.

 

Rudolf Ammer

 

Spieler: 2-5

Alter: 12+

Dauer: 90+

Autor: Aaron Haag

Grafik: Dennis Lohausen

Preis: ca. 25 Euro

Verlag: Argentum Verlag 2013

Web: www.argentum-verlag.de

Genre: Taktik, Worker Placement

User: Für Experten

Version: de

Regeln: de en fr

Text im Spiel: nein

 

Kommentar:

Gut strukturierte Regel

Hübsches, funktionales Spielmaterial

Sehr schöner Spielplan

Stimmungsvolle Hintergrund-Story

 

Vergleichbar:

Worker Placement Spiele mit unterschiedlichen Preisen für Positionen

 

Andere Ausgaben:

Ausgaben in englischer und französischer Sprache

 

Gesamt: 6

 

Rudolf Ammer:

Ein facettenreiches Spiel mit viel Interaktion und einigen innovativen Ideen, das Vielspieler auf jeden Fall ausprobieren sollten.

 

Zufall (rosa): 0

Taktik (türkis): 3

Strategie (blau): 2

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 3

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0