Für Experten

 

Umkämpfte Handelsrouten

 

Hansa Teutonica

 

Aufbau eines norddeutschen Handelsimperiums

 

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Friends                 

Expert                   ein    

 

Alter                    

Spezial                 

 

Hansa Teutonica ist die große 2009er-Neuheit des kleinen deutschen Argentum Verlages, der schon in den letzten Jahren einige nette Spiele, wie Wind River (2008), herausgebracht hat. Großer Hit war bisher aber keiner dabei, weshalb er bisher auch nur den wenigsten Spielern ein Begriff war. Ähnliches kann man auch über den Autor Andreas Steding sagen, der auch schon einige Spiele veröffentlicht hat, wie Macht und Ohnmacht (2008) oder die Britannia-Ableger Hispania (1994) und Italia (2006).

So ist es vielleicht auch nicht sehr verwunderlich dass vor der Veröffentlichung auf der Spiel 09 in Essen kaum jemand von Hansa Teutonica gesprochen hat. Jedenfalls wurde ich erst bei der Neuheitenschau für die Presse erstmals darauf aufmerksam. Und das wohl auch nur, weil der Autor daneben gestanden ist und freundlich und begeistert sein Spiel erklärt hat, denn Hingucker ist Hansa Teutonica keiner. Es besteht die Gefahr daran vorbeizulaufen ohne davon Notiz zu nehmen.

Der Spielplan ist zwar bunt, zeigt eine mittelalterliche Karte von Norddeutschland (etwa das Viereck Köln-Groningen-Lübeck-Halle), ist im Großen und Ganzen auch hübsch anzusehen und bis auf wenige Details, wie der Verwendung von weißer Schrift auf grauem Hintergrund, oder der 2-Spielervariante (siehe weiter unten), auch sehr funktional, aber eben unauffällig, fast schon fad, zumal auch sonst relativ wenig Spielmaterial gebraucht wird.

Diese erste Erklärung des Autors hat jedenfalls mein Interesse geweckt und ich war wohl nicht der einzige, denn obwohl der Argentum Verlag gleich 3 Erklärtische an seinem Stand hatte, was für Essen relativ viel ist, hat sich für mich erst am letzten Tag die Möglichkeit eröffnet, Hansa Teutonica anzuspielen, weil die Tische quasi ständig besetzt waren.

Das Spiel ist ein typisches Autorenspiel, was eigentlich noch stark untertrieben ist, denn wenn man sich die üblichen Charakteristika eines Autorenspiels auf diversen Internetseiten anschaut, könnte man meinen dass Hansa Teutonica das klassische Autorenspiel schlechthin ist.

 

Die Spieleranzahl darf von 2-5 variieren (klassisch), wobei sich die Spieldauer bei 1-2 Stunden einpendelt (klassisch). Glücksfaktor ist quasi nicht vorhanden (klassisch), dafür aber ist die Interaktion extrem groß und entscheidet über Sieg und Niederlage (klassisch).

Es gibt die Möglichkeit sich zu entwickeln, wodurch die eigenen Aktionen effektiver oder sogar mehr werden (klassisch). Die Spielregeln sind eigentlich relativ einfach, bieten dafür aber sehr viel Tiefgang (klassisch), wobei die Spielanleitung bei Hansa Teutonica, meiner Meinung nach, fast schon zu ausführlich und damit zu lang ist, was aber den Vorteil hat das keine Fragen offen bleiben.

Am Ende gewinnt wer am meisten Prestigepunkte hat (klassisch), welche auf einer Prestigepunktleiste markiert werden die rund um den Plan führt, auch Kramerleiste genannt (eigentlich auch klassisch, wobei die Art des Prestigepunktezählens natürlich relativ unbedeutend ist und daher auch nicht als Charakteristikum eines Spiels durchgehen kann).

Selbst das Thema, Handel im Mittelalter, ist so klassisch wie es für ein Autorenspiel nur sein kann. Eventuell könnte man darüber streiten ob das Thema Burgen-/Städtebau  im Mittelalter noch typischer ist, aber diese Diskussion spar ich mir hier lieber und erzähle etwas über den Spielablauf.

 

Das Spiel wird reihum gespielt. Wer am Zug hat 2-5 Aktionen die er durchführen kann, wie viele hängt davon ab, wie weit man im Entwicklungsfeld „Actiones“ entwickelt ist. Es gibt fünf verschieden Aktionen, die man beliebig oft und in beliebiger Reihenfolge ausführen kann. So kann man z.B. Händler (= hölzerner Würfel in der Farbe des Spielers) aus der Kasse (= Händler die dem Spieler momentan nicht zur Verfügung stehen) in den Vorrat (= Händler die dem Spieler zur Verfügung stehen) nehmen. Wie viele das sind hängt wieder von dem Entwicklungsstand in einem bestimmten Gebiet ab. Einen Händler aus dem Vorrat kann man dann als Aktion auf eine Handelsroute einsetzen. Solche Handelsrouten verbinden immer 2 Städte und bestehen aus 2-4 Feldern. Um eine Handelsroute einrichten zu können muss man alle Felder der Route mit eigenen Steinen besetzt haben. Sollte ein gegnerischer Händler ein Feld blockieren, besteht die Möglichkeit diesen zu verdrängen, was wie das normale Einsetzen auch eine Aktion kostet, zusätzlich muss aber noch ein Händler aus den Vorrat zurück in die Kasse gelegt werden. Der verdrängte Spieler muss den verdrängten Händler sofort auf eine freie angrenzende Handelsroute einsetzen und darf zusätzlich, als Bonus, einen weiteren Händler aus der Kasse direkt auf eine angrenzende Route einsetzen. Das Blockieren gegnerischer Routen wird durch den gewonnen Händler natürlich sehr interessant und zu einem zentralen Element des Spiels. Die vierte Aktionsmöglichkeit erlaubt es 2-5, je nach Entwicklungsstand in „Liber sophiae“, eigene Händler von beliebigen Handelsrouten auf andere freie Handelsroutenfelder umzusetzen. Und zu guter Letzt kann man, wie schon erwähnt, voll besetzte Handelsrouten einrichten, der eigentliche Sinn des ganzen Einsetzens. Dies geschieht aber nicht automatisch, sondern kostet eben auch eine Aktion. Wenn dies geschieht, werden zuerst einmal die beiden Städte, die durch die Route verbunden werden, gewertet. Das bedeutet dass der Spieler der die Stadt kontrolliert 1 Prestigepunkt bekommt. Kontrollieren tut sie der, der die meisten Niederlassungen in einer Stadt hat. Bei Gleichstand entscheidet die Position der Niederlassungen, wer weiter rechts liegt, und damit später eingesetzt hat, kontrolliert die Stadt. Danach kann der Spieler der die Route eingerichtet hat einen Händlerstein von der Route in eine der beiden Städte setzen und so eine Niederlassung gründen. Die übrigen Händler der Route kommen in die Kasse, wodurch die Route wieder frei für neue Händler wird. Dies ist der einzige Weg wie man zu Niederlassungen kommt.

Um eine Niederlassung gründen zu können müssen aber die Bedingungen dafür erfüllt sein. Ein Platz für eine Niederlassung muss in der Stadt frei sein und das Entwicklungsgebiet „Privilegium“ weit genug entwickelt sein. Außerdem gibt es Niederlassungsplätze, die das Einsetzen von Großhändlern (= hölzerne Scheiben in der Farbe des Spielers) verlangen. Diese Großhändler unterscheiden sich in den bisher beschriebenen Regeln nicht von normalen Händlern, mit der einzigen Ausnahme dass sie schwerer verdrängt werden können (sie kosten 2 zusätzliche Händler statt 1), sind aber nur in kleiner Zahl verfügbar, weshalb ihr Einsatz wohl überlegt werden sollte. Einige Städte in Randlagen erlauben es auf das Gründen einer Niederlassung zu verzichten und stattdessen ein Gebiet weiterzuentwickeln, wobei es für jedes Entwicklungsgebiet genau eine Stadt gibt.

Sollte auf einer Handelsroute ein Bonusmarker liegen- von denen liegen immer 3 am Plan, die jeweils genau einer Route zugeordnet sind - nimmt der Spieler diesen beim Einrichten der Route zu sich und setzt am Ende seines Zuges einen neuen Bonusmarker vom Nachziehstapel ein. Diese Bonusmarker können einmalig benutzt werden und erlauben unterschiedliche Vorteile. Zusätzlich bringen sie am Ende des Spieles Prestigepunkte.

Nach diesen Prinzipien setzen die Spieler Händler ein und richten Routen ein, bis eine von 3 Endbedingungen erfüllt ist, die da wären: Ein Spieler erreicht 20 Prestigepunkte, es können keine Bonusmarker mehr nachgezogen werden, oder 10 Städte sind voll besetzt, sprich alle erlaubten Niederlassungen dort gegründet.

In jedem Fall endet das Spiel sofort. Allerdings folgt noch eine Schlusswertung. Die Spieler bekommen noch Prestigepunkte für Bonusmarker, jedes abgeschlossene Entwicklungsgebiet, jede Stadt die sie kontrollieren und das größte zusammenhängende Netz an Niederlassungen, womit Niederlassungen in benachbarten Städten gemeint sind.

 

Ich möchte anmerken dass es noch einige andere Möglichkeiten gibt während des Spiels oder in der Endwertung zu Prestigepunkten zu kommen, allerdings werde ich auf diese Details, der Kürze und Übersicht dieser Rezension wegen, nicht weiters eingehen, sondern lieber zu einem Schlussresümee kommen.

Hansa Teutonica funktioniert großartig und ist im Normalfall, ohne Extremtüftler, relativ kurzweilig, weil die Aktionen schnell geschehen. Der Mechanismus mit dem Handelsrouten einrichten ist durchaus neu, zumindest für mich. Ähnliche Entwicklungstableaus findet man zwar in anderen Spielen, aber warum nicht altbewährtes verwenden, zumal es sich toll mit dem Wettlauf um wichtige Niederlassungen ergänzt. So stellt sich oft die Frage ob man lieber Niederlassungen, zwecks Prestigepunkte, gründen soll, oder doch lieber weiterentwickeln soll um längerfristig von den sich ergebenden Vorteilen zu profitieren. Immer will man mehr machen als man kann und die Entscheidungen fallen schwer. Es ist sowohl taktisch, als auch strategisch anspruchsvoll ohne aber zu kompliziert zu sein. Wenngleich Spielerfahrung definitiv von Vorteil ist, denn die Zusammenhänge sind vielschichtig und nicht leicht zu durchschauen. Ich denke auch dass sich der volle Reiz des Spieles erst nach einigen Partien offenbart, wenn jeder Spieler weiß was er tut und wie er auf Aktionen der Mitspieler reagieren muss. Kurz gesagt: Hansa Teutonica hat all die positiven Eigenschaften, die moderne Autorenspiele haben sollen.

Bis auf Details gibt es auch nichts auszusetzen. Der größte Fehler liegt wohl in der Darstellung des Zweispielerplans, sicherlich verzeihbar. Im Spiel zu zweit und dritt wird auf einem anderen Plan als zu viert oder fünft gespielt, der sich durch weniger Handelsrouten und weniger Niederlassungsplätze unterscheidet. Zu zweit wird der Plan zusätzlich in Provinzen unterteilt. Eine Figur wandert durch die Provinzen und die Spieler dürfen nur dort einsetzen wo die Figur steht. Leider sind aber vier der Grenzen nicht eingezeichnet und müssen durch Kartonplättchen markiert werden. Zwei dieser Grenzen sind leider nicht eindeutig ersichtlich und zudem besteht die ständig die Gefahr des Verrutschens. Einzeichnen der Grenzen am Plan wäre mit Sicherheit kein Problem, aber es liegt die Vermutung nahe dass die Zweispielervariante erst nachträglich eingefügt wurde. Diese funktioniert sehr gut und spielt sich anders als das Mehrpersonenspiel. Es bietet mit der einschränkenden Figur ein zusätzliches taktisches Element, das die Karte auch für 2 Spieler klein genug macht. Durch den quasi nicht vorhandenen Glücksfaktor und die hohe Komplexität erinnert das Zweipersonenspiel an Schach und ähnliche Spiele und wird sicher auch seine Freunde finden.

 

Spieler: 2-5

Alter   : ab 12 Jahren

Dauer : ca. 60 min

 

Autor           : Andreas Steding

Grafik          : Dennis Lohausen

Vertrieb A    : Heidelberger

Preis            : ca. 35 Euro?

Verlag          : Argentum Verlag 2009

  www.argentum-verlag.de

 

Genre          :Entwicklungsspiel

Zielgruppe    : Für Experten

Mechanismen: Entwickeln, Niederlassungsnetze aufbauen

 

Zufall                    : 1

Wissen                  : 1

Planung                 : 7

Kreativität             :

Kommunikation      : 6

Geschicklichkeit      :

Action                   :

 

Kommentar:

ausführliche Spielanleitung

flüssiger Spielablauf

einfaches, funktionelles Spielmaterial

viel taktischer und strategischer Tiefgang

 

Vergleichbar mit: Endeavor

 

Atmosphäre: 7

 

Markus Wawra:

Hansa Teutonica ist ein Spiel wie es sein soll. Viel Taktik, viel Strategie, bei relativ einfachen Regeln und jede Partie läuft anders.