PERLEN DER SPIELKUNST

 

Hugo Kastner empfiehlt

 

Billabong

 

Känguru-Hüpfen ums Wasserloch

 

Liebe Leserin, lieber Leser! Fast ist man geneigt, „Billabong“ als Klassiker unter den taktischen Zugspielen zu bezeichnen. Und doch ist dieses Spiel noch keine zwanzig Jahre auf dem Markt, in verschiedenen Ausgaben allerdings, um präzise zu sein. Schon dies ist ein gewisses Qualitätsmerkmal. Wer sich beim schnellen Hinsehen an „Halma“ erinnert, wird schon bei den ersten Känguru-Hüpfern eine wohltuende Überraschung erleben. „Billabong“ enthält nämlich einige Spielelemente, die den denkfreudigen Taktiker vom Start weg fesseln können. Die doch eher bedächtige Spielentwicklung des 1883 von Howard Monks geschaffenen Klassikers „Halma“ (altgriechisch für „Sprung“), wo zu Beginn und Ende jeder mit seinen eigenen Zugketten operiert, ist bei „Billabong“ zugunsten einer echten Verzahnung der Kräfte von Sekunde eins an gewichen. Dies war auch die erklärte Intention des Londoner Computerfachmanns Eric W. Solomon (*1935), der bei vielen seiner Spiele mit klaren, doch keineswegs simplen Strukturen aufwarten konnte. Ich denke da in erster Linie an „Black Box“ und „Hyle“. Trotz der rein taktischen Anlage ist „Billabong“ in eine thematisch reizvolle Umgebung eingebettet, müssen doch bis zu zwanzig Kängurus um ein Wasserloch (= Billabong in der Sprache der Aborigines) hüpfen und dabei möglichst rasch vorankommen. Erstmals stellte Solomon seine Idee bereits 1984 in seinem Buch „Games Programming“ vor, einem unerwartet modernen Werk über das Programmieren von Spielen. Wer nach Lesen dieser Zeilen schon auf den Geschmack gekommen ist, darf sich im Österreichischen Spielemuseum in Leopoldsdorf auf eine sprunggewaltige Hüpforgie freuen. www.spielen.at

 

Ein 2x4-Felder großer Billabong auf einem leeren, 14x16-Felder großen Spielplan, das ist alles, was zunächst im Lichtkegel des Betrachters zu sehen ist. Ja, da lässt sich zusätzlich ein blauer Wasserstreifen ausmachen, die Start- und Ziellinie, wie wir später der Beschreibung entnehmen können. Die 2 bis 4 Mitspieler bekommen je fünf Kängurus – in der Neuausgabe von 2002 auch tatsächlich liebevoll gestylte Figuren – und dazu wird noch ein sogenanntes „Schiedsrichter-Känguru“ „im Billabong“ bereit gehalten. Wie sich bald herausstellen wird, ist gerade dieses Unikum einer der genialen Einfälle von Eric W. Solomon. Worum geht es bei diesem „sprunghaften“ Treiben? Ganz einfach: Wer zuerst alle seine Kängurus einmal um den Billabong hüpfen lässt und dabei zweimal die Start-/Ziellinie überquert, hat gewonnen. Zweimal? Ja, exakt, denn zunächst muss abwechselnd jeder Spieler alle seine Kängurus hinter diese blaue Linie platzieren, egal wohin. Danach beginnt das Wetthüpfen. Zwei grundlegende Bewegungen sind mit einem eigenen Känguru möglich: (A) Ein Feld horizontal, vertikal oder diagonal „wandern“ oder (B) über eigene und gegnerische Kängurus „springen“. Dabei jedoch gelten zwei eherne Regeln: Beträgt der Abstand zwischen dem gewählten Känguru und dem zu überspringenden zwei Felder, dann landet das gewählte Beuteltier auch in einem Abstand von zwei Feldern, sind es drei Felder, wird der Sprung entsprechend weiter. Außerdem darf die Landung niemals auf einem besetzten Feld erfolgen. Und das Wunderbare dabei: Serienzüge sind möglich, ja sogar notwendig, um den Billabong schnell zu umrunden. Als Merkhilfe, falls sich ein solcher Serienzug als Flop erweisen sollte, dient das Schiedsrichter-Känguru. Dieses wird auf das Ausgangsfeld des gewählten Kängurus gesetzt und am Ende eines Zuges wieder in den Billabong gestellt. Letzte Anmerkung dazu: Auch dieses Schiedsrichter-Känguru darf übersprungen werden. Ich verspreche nicht zu viel, wenn ich den Covertext der Originalbox wiederhole: „Ein Wettlauf mit Pfiff!“

 

Rückmeldungen an: hugo.kastner@chello.at               

Homepage: www.hugo-kastner.at

 

EMPFEHLUNG # 77

Spieler: 3-5

Alter: 10+

Autor: Eric Solomon

Dauer: 20+

Preis: vergriffen

Jahr: 1994 und 1995

Verlag: Franjos, Amigo

    

Taktik: 9 von 9

Info±: 0 von 0

Glück: 0 von 9

 

Vielleicht überrascht ein 9er-Taktikwert bei einem Spiel für die Altersstufe 10+. Doch in der Tat gibt es bei „Billabong“ überhaupt keinen Glücksfaktor und auch keinen Infovorsprung oder versteckten Bluff. Ein Computer könnte daher in jeder Stellung den optimalen Zug finden. Für menschliche Spieler jedoch stellen die taktischen Reaktionen der Mitspieler eine echte Herausforderung dar. Im Gegensatz zu Spielen wie Schach oder Go sind aber keine langen strategischen Konzepte gefragt.    

 

Hugos EXPERTENTIPP

Spielen Sie, sobald Sie durch ein, zwei Partien eine gewisse Grunderfahrung haben, auch im Zweierspiel mit 4 mal 5 Kängurus. Dabei werden die beiden gewählten Känguru-Farben abwechselnd gezogen. Durch das Getümmel der Beuteltiere am Brett ergeben sich einfach schönere und längere Kettenzüge. Für „Profis“ unter den Känguru-Liebhabern ist eventuell die Verwendung einer Sanduhr zu empfehlen, da damit das Durchdenken der immens vielen Zugmöglichkeiten einer zeitlichen Kontrolle unterliegt.        

 

Hugos BLITZLICHT

„Billabong“ muss wegen seiner Leichtigkeit und gleichzeitig überraschend hohen Spieltiefe als taktisches Meisterwerk mit hoher Familientauglichkeit eingeschätzt werden. Ganz zu Recht kam es auf die Nominierungslist zum „Spiel des Jahres“. Das Regelwerk ist mit wenigen Sätzen erklärt, doch beginnen dann schon ab dem ersten „Känguru-Hüpfer“ die wahren Probleme. Fast wird man süchtig auf der Suche nach dem optimalen Weg um den Billabong. Pfiffig eben! 

 

VORANKÜNDIGUNG

 

THE HIGH KINGS OF TARA

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